Seit Jahrzehnten bewerten wir schulische Leistung mit Ziffern. Eine 5 gilt als „gut“, eine 3 als „ungenügend“. Doch was sagt das wirklich über das Lernen eines Menschen aus? Ist eine Note eine zuverlässige Aussage über Verstehen, Können, Entwicklung? Oder ist sie schlicht zu grob, zu eindimensional – vor allem in einer Welt, in der Lernen individuell, digital und dynamisch geworden ist?
Was wäre, wenn wir den Mut hätten, Noten durch Lernprofile zu ersetzen? Und was würde das für Schulen, Lernende, Eltern und Bildungssysteme bedeuten?
Noten sind vertraut – aber unpräzise
Ziffernnoten sind schnell. Sie lassen sich vergleichen, sortieren, addieren. Aber sie sagen wenig darüber aus:
- Worin jemand konkret gut ist
- Was genau noch fehlt
- Wie sich jemand entwickelt hat
- Welche Kompetenzen stabil, unsicher oder im Aufbau sind
Sie reduzieren komplexes Lernen auf eine Skala – und verschleiern dabei oft das, was wirklich wichtig ist: der individuelle Lernprozess.
Lernprofile: Lernen verstehen statt bewerten
Ein Lernprofil beschreibt nicht nur ein Ergebnis, sondern einen individuellen Lernweg:
- Welche Kompetenzen sind entwickelt – und wie tief?
- Welche Strategien nutzt die Person?
- Wo gab es Fortschritt – wo noch Unsicherheiten?
- Wie verläuft das Lernen über die Zeit?
Solche Profile könnten visuell, textbasiert oder datengestützt dargestellt werden – und bieten viel mehr Aussagekraft als eine Note. Sie machen Lernen sichtbar, nachvollziehbar und anschlussfähig.
Was sich verändern würde
Für Lernende:
- Sie würden sich weniger als „gut“ oder „schlecht“ empfinden
- Sie erhielten gezielte Rückmeldung und individuelle Perspektiven
- Der Fokus läge auf Entwicklung, nicht auf Bewertung
- Für Lehrpersonen:
- Die pädagogische Arbeit würde sichtbarer
- Diagnostik würde differenzierter – aber auch systematischer
- Rückmeldung wird Prozess, nicht Endurteil
Für Eltern:
- Gespräche würden konkreter, weg von „Welche Note hast du?“ hin zu „Was kannst du? Wo brauchst du Hilfe?“
- Bildungsentscheidungen würden fundierter
Für das System:
- Vergleichbarkeit müsste neu gedacht werden – z. B. über Kompetenzstufen statt Punktwertungen
- Prüfungsformate würden sich ändern
- Daten würden gezielter eingesetzt – aber auch datenschutzsensibler
Digitale Systeme machen Lernprofile überhaupt erst möglich
Ein Grund, warum Noten sich so lange gehalten haben: Sie sind einfach zu vergeben und zu dokumentieren. Doch mit digitalen Plattformen wie iLearn ist es heute möglich, Lernverläufe automatisch zu erfassen, Kompetenzentwicklungen sichtbar zu machen und Lernfeedback dynamisch zu generieren – datengestützt, aber pädagogisch interpretierbar.
Das bedeutet: Der Aufwand für differenzierte Rückmeldung muss nicht steigen – wenn das System sie unterstützt.
Fazit: Weniger Urteil – mehr Verstehen
Lernprofile sind kein „Weniger“, sondern ein Mehr an Information, Differenzierung und pädagogischer Qualität. Sie könnten die Grundlage dafür sein, Lernen als kontinuierlichen Entwicklungsprozess zu betrachten – nicht als Serie von Bewertungen.
Noten sind vertraut. Lernprofile sind zukunftsfähig. Vielleicht ist jetzt der Moment, mutig zu denken:
Was wäre, wenn nicht nur das Ergebnis zählt – sondern das Lernen selbst?