Die Schweiz gilt als hochentwickeltes Bildungssystem mit starken Strukturen, dualer Berufsbildung und hohem Vertrauen in Schulen und Lehrpersonen. Doch im Bereich der digitalen Bildung zeigt sich zunehmend: Andere Länder sind schneller, strategischer und systemischer unterwegs.
Die Digitalisierung der Schule ist in der Schweiz in Bewegung – aber nicht ausreichend koordiniert, finanziell gesichert oder pädagogisch verankert. Während einzelne Kantone und Schulen innovative Projekte vorantreiben, fehlt es auf nationaler Ebene an klaren Standards, Leitlinien und langfristigen Investitionsstrategien.
Föderalismus als Chance – oder als Bremse?
Der Bildungsföderalismus ist ein Markenzeichen der Schweiz – und er ermöglicht Vielfalt, lokale Anpassung und politische Nähe. Doch gerade in der Digitalisierung wird er zum Risiko:
- Es fehlen gemeinsame Standards für Infrastruktur, Plattformen und Kompetenzen.
- Jedes Projekt muss neu aufgebaut, beantragt und gerechtfertigt werden.
- Digitale Bildung hängt davon ab, wo man wohnt – nicht was man braucht.
Länder wie Estland, Norwegen oder auch die Niederlande setzen dagegen auf nationale Strategien mit klaren Zielen, zentraler Steuerung und verbindlicher Finanzierung. Die Schweiz diskutiert – andere setzen um.
Digitalisierung ≠ Geräteverteilung
In vielen Kantonen wurden Laptops und Tablets beschafft – ein wichtiger Schritt. Aber:
- Technische Ausstattung ist kein pädagogisches Konzept.
- Lernplattformen werden oft nur zur Dateiablage genutzt.
- Didaktische Entwicklung, Fortbildung und digitale Diagnostik bleiben ungleich verteilt.
Ohne durchdachte Systeme und begleitende Weiterbildung verpufft die Wirkung der Technologie. Plattformen wie iLearn zeigen, was möglich wäre: adaptives Lernen, Lernstandsanalyse, individuelle Förderung – alles systemisch integriert. Doch solche Lösungen sind noch nicht strukturell eingebettet.
Bildungsstrategie statt Projektförderung
Aktuell wird digitale Bildung in der Schweiz häufig über zeitlich befristete Projekte, Wettbewerbe oder Innovationsfonds gefördert. Das schafft Dynamik – aber keine Verlässlichkeit. Schulen und Anbieter brauchen:
- dauerhafte Finanzierung
- klare Zuständigkeiten
- pädagogische Standards für digitale Qualität
Andere Länder haben längst nationale Rahmenpläne, digitale Kompetenzmodelle und langfristige Investitionsprogramme geschaffen. In der Schweiz bleibt vieles optional, freiwillig oder pilotartig.
Wo die Schweiz stark ist – und wo sie mutiger sein könnte
Stärken:
- hohe Autonomie und Innovationskraft einzelner Schulen
- starke Lehrpersonenbildung und Berufsbildung
- technologische Infrastruktur auf hohem Niveau
Herausforderungen:
- fehlende digitale Lehrpläne
- kaum koordinierte Plattformstrategie
- unsichere Weiterbildungsstrukturen
- mangelnde Vergleichbarkeit und Steuerbarkeit
Fazit: Die Schweiz hat das Potenzial – aber sie nutzt es noch nicht systemisch
Die digitale Bildung der Schweiz ist technisch möglich, pädagogisch sinnvoll und gesellschaftlich gewollt – doch sie bleibt hinter ihrem Potenzial zurück. Nicht, weil es an Ideen fehlt – sondern an Strukturen.
Was jetzt gebraucht wird:
- ein nationaler digitaler Bildungsrahmen
- verbindliche Standards für Plattformen, Inhalte und Kompetenzen
- langfristige Investitionen in didaktische Systeme wie iLearn
Die Schweiz hat die Voraussetzungen, ein Vorreiter in der digitalen Bildung zu werden. Aber nur, wenn sie jetzt Föderalismus mit strategischer Steuerung kombiniert.